Das zum dritten Mal veranstaltete Fotofestival Lenzburg lädt während sechs Wochen – bis zum 25. Oktober 2020 – Foto- und Kunstliebhaber nach Lenzburg ein, um Ausstellungen von hohem Niveau zu sehen, sich aktiv an Workshops, Diskussionen und an einem Fotomarathon (am 19 September 2020) zu beteiligen und die Stimmung mit und um die Fotografie zu geniessen.
Fotografien sind in den Schaufenstern der Detailgeschäfte in der Altstadt von Lenzburg vielerorts zu entdecken. Sie sind das Ergebnis des vorgängigen Wettbewerbs und warten auf die Publikums-Jurierung
Beim diesjährigen Thema des Lenzburger Fotofestivals geht es um die «Beschleunigung der Zeit», um Ereignisabstände die immer kürzer werden, um das Geschehen, das immer flüchtiger wird, um eine Hektik, die uns immer mehr unter Druck setzt. «Zeiten unter Druck» visuell umzusetzen war die Herausforderung für die Fotokünstler oder zu diesem Motto passende Bilder auszuwählen diejenige der Kuratoren und Ausstellungsmacher. Das Experiment ist gelungen – das Fotofestival Lenzburg wurde gestern Abend – unter Wahrung der Covid-19 Schutzmassnahmen – feierlich eröffnet.
Die Hauptausstellung «Divided we stand» von Mathias Braschler und Monika Fischer ist im Stapferhaus gleich gegenüber des Bahnhofs zu sehen. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen einfache Menschen, die das Fotografenpaar 2019 auf seinem viermonatigen Roadtrip in Amerika getroffen hat. Bilder und Stimmen erzählen uns Geschichten vom Druck durch politische, soziale und persönliche Veränderungen.
Mit der Ausstellung «Zeit! Zurück zum Leben!» nimmt das Fotofestival Lenzburg am internationalen Inside Out Project teil. Rund 60 lustige und beeindruckende Schwarzweiss-Porträts von Kindern sind am Boden des Seetalplatz (hinter der Hypothekarbank) zu sehen. Die Botschaft dahinter ist: Der Stadtboden gehört den Kindern und die Erwachsenen sollen sich Zeit nehmen, diese zu respektieren und zu schützen. Die Porträts wurden erstellt von Oliver Vermeulen und Severine Nordhof.
Rund 25 Bilder der internationalen Gruppe von Fotografen Project Pressure befassen sich mit dem Klimawandel und werden als Open-Air-Ausstellung an einem Spazierweg entlang des Aabachs präsentiert. Die Bilder sollen die Besucher*innen dazu anregen über die globale Erwärmung, den immer grösser werdenden Fussabdruck des Menschen und speziell seine Auswirkungen auf die Gletscher nachzudenken. Das Projekt ist eine Zusammenarbeit mit dem Festival Alt+1000 (Fotointern berichtete) und dem Museum Le Locle. Die teilnehmende Fotografinnen und Fotografen sind Corey Arnold, Michael Benson, Edward Burtynsky, Scott Conarroe, Peter Funch, Noémie Goudal, Richard Mosse, Simon Norfolk, Norfolk + Thymann, Christopher Parsons, Toby Smith, Klaus Thymann.
Zum vorgängigen Fotowettbewerb wurden 323 Einzelbilder und 268 Portfolios von Fotograf*innen aus mehr als 20 Ländern eingereicht. Eine internationale Jury aus renommierten Kuratoren und Redaktoren hat die interessantesten Projekte ausgewählt. Die vier ausgewählten Portfolios werden in den Räumlichkeiten der Alten Bleiche ausgestellt. Die vier Siegerprojekte kommen aus verschiedenen Teilen Europas und sind überaus beeindruckend.
«Time on Quaaludes and Red Wine” von Anna Galí, Spanien, verarbeitet in ihren Bildern den Verlust ihres Sohnes. Als digitales Vermächtnis entdeckte sie im Smartphone, im Laptop und in den sozialen Netzwerken Spuren ihres Sohnes, die sie nicht kannte und seine Persönlichkeit in einem neuen Licht erscheinen liessen. Diese gibt sie in ihren Bildern eindrücklich wieder.
«There is Nothing New Under the Sun» von Kata Geibl, Ungarn, fängt den Zeigeist ein, ohne dem Betrachter Antworten zu geben sondern lenkt seinen Geist und die Kreativität in Richtung der Geschichte hinter den Bildern. Wir sehnen uns nach Perfektionismus und nutzen gleichzeitig die Ressourcen unserer Erde, als gäbe es keinen Morgen. Kata Geibl versucht über unsere zeitgenössische Kultur und die Welt, in der wir leben, nachzudenken, um zu spiegeln, was in unserer Gesellschaft geschieht.
«È Così la Vita» von Lea Meienberg, Schweiz, ist «eine Ode an den Stillstand». Viele Menschen sehnen sich nach einem Ort der Einfachheit und der Einkehr, der weitab von unserem hektischen Informationsfluss im Einklang mit der Natur ist. Sardinien ist ein solcher Ort, an welchem die Menschen auch besonders lange leben. Lea Meienberg hat die Menschen und die Landschaft Sardiniens unter diesem Aspekt zum fotografischen Thema gemacht.
«Renaissance» von Nils Stelte, Deutschland, taucht in den spirituellen Eklektizismus von Städten ein. Abseits des Christentums suchen sie in Wäldern, Gemeindesälen, Krankenhäusern und Hotellobbies nach geistiger Katharsis und Regeneration. In scheinbar inszenierten Fotos dokumentiert Nils Stelte Individuen auf der Suche nach Wegen zur Überwindung ihrer persönlichen Krise.
Die Ausstellungen können an den Wochenenden (Freitag-, Samstag- und Sonntagnachmittag) vom 12. September bis 25. Oktober im historischen Gebäude der Alten Bleiche besucht werden.
Telefonkabinen sind im Handy-Zeitalter überflüssig geworden. Als Gegenpol zu «Zeiten unter Druck» bringt sie das Fotofestival als «Entschleunigungskabine». Hier kann, statt einer rasch getippten digitalen Nachricht, mit individueller Handschrift und zwecks Entschleunigung eine persönliche Postkarte «Grüsse aus Lenzburg» geschrieben und versandt werden. Ein Blick zurück in die postalische Kommunikation – für viele wahrscheinlich ein Novum.
Sehr beliebt ist auch das Portfolio-Review, das am letzten Samstag stattgefunden hat. Viele nicht nur junge Fotografen wollten von Fotoexperten ihre Meinung zu ihren Bildern hören und sich bezüglich ihres fotografischen Weiterkommens beraten lassen.
Das Fotofestival Lenzburg bietet zudem ein spannendes Rahmenprogramm mit einem Prosecco-Abend mit den NZZ-Journalisten Daniele Muscionico und Rafaela Roth (18. September 2020), einer Führung der beiden Urheber Braschler/Fischer durch die Hauptausstellung «Divided we stand» (20. September 2020) sowie einem interessanten Vortrag «Unter Druck» über den Stress von Kindern und Jugendlichen im Alltag mit der Psychologin Magrit Stamm. Die komplette Aufstellung der Veranstaltungen finden in der untenstehenden Liste, Details dazu auf der Webseite www.fotofestivallenzburg.ch
Die Ausstellungen im Städtchen Lenzburg sind an verschiedene Orte verteilt. Wird man vom langen Fussmarsch müde, bieten überall aufgestellte Liegestühle kurzfristige Erholung.
Das Fotofestival Lenzburg ist noch bis 25. Oktober zu besuchen. Beachten Sie die Öffnungszeiten der Innenausstellungen sowie weitere Informationen unter www.fotofestivallenzburg.ch.
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Noch bis 16. Oktober 2022 ist in der Schweizer Fotostiftung Winterthur die Ausstellung «Silent Transition» von Georg Aerni zu sehen. Die Bilder zeigen auf eindrückliche Art und Weise den steten Wandel von Landschaften und Städten – und was sich die Natur wieder zurückholt.
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